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13. September 2009 7 13 /09 /September /2009 19:14
Die Demonstration "Freiheit statt Angst -Gegen den Überwachungsstaat" am 12.9.2009 war ein großer Erfolg. Fast 20.000 Menschen haben friedlich gegen Überwachung durch Staat und Unternehmen und für Bürgerrechte demonstriert und das Thema bis in die Nachrichtensendungen von heute und Tageschau gebracht. Optisch wurde die Demonstration von den Farben der Piratenpartei dominiert, aber auch Grüne und Linke waren prominent vertreten.

Der Staat war - noch nur in Form der Polizei, auch wenn die CDU gern die Bundeswehr einsetzen würde - auch vertreten und hat es leider geschafft, die Befürchtungen der Demonstranten durch seine Vertreten vor Ort zu bestätigen. Ein geringfügiger Anlass nach der Abschlusskundgebung ließ mehrere Polizisten ausrasten und massiv auf friedliche Demonstranten einprügeln (siehe Bericht und Video). Augenzeugen zufolge hatte laut Tagesspiegel der Radfahrer den Polizisten, der ihn darauf hin zusammenschlug, nach seiner Dienstnummer gefragt.

Nun mag das eine Überreaktion völlig überforderter Polizisten gewesen sein, wie einige bürgerliche Kommentatoren sich sofort beeilten anzumerken.  Das ist jedoch keine Entschuldigung.

Denn auf dem Video ist klar zu sehen, das die Gesamtsituation völlig entspannt war und selbst wenn es zu einer Konfrontation gekommen sein sollte, bestand - schon aufgrund der massiven Polizeipräsenz am Ort - keinerlei Grund mit massiver Gewalt vorzugehen und die Demonstranten mit Schlägen so zu verletzen, dass sie massive Verletzungen im Gesicht davon trugen.

Wenn der Staat es schon nicht schafft, bei der einfachen Ausübung von Grundrechten wie dem Demonstrationsrecht für Rahmenbedingungen zu sorgen, so dass die Teilnehmer nicht um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen, was sollen wir dann bei Einsatz anderer Überwachungstechniken erwarten?

Immerhin verkörpern die Polizisten das Gewaltmonopol des Staates. Wenn der Staat diese heikle Aufgabe in junge, unreife Burschen mit Aggressionspotential delegiert, dann ist das Schlimm, denn es zeigt, wie wenig die Verantwortlichen sich bewusst sind, welch schmaler Grad hier beschritten wird. Denn wie sollen die Betroffenen und die Zuschauer (egal ob auf der Straße oder im Fernsehen / Internet) je wieder eine normale, vertrauensvolle Beziehung zur Polizei aufbauen, wenn sie solches erlebt haben. Woher sollen sie wissen, dass der Polizist, dem sie nächste Woche auf der Straße begegnen, nicht genauso drauf ist. Solche Erlebnisse hinterlassen einen lebenslangen Schaden - an der Polizei und im Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Denn die Polizei repräsentiert den Staat &  seine gewählten Vertreter.

Doch es geht noch weiter: Wie sollen wir sicher sein, dass das jene Beamte, die über die Sperrung von Internet-Seiten oder den Einsatz von Trojanern (in Computer eingeschleuste Spionage-Software) entscheiden, nicht für ganz persönliche Motive, zur Bereicherung oder für politische Ziele missbrauchen? Wir können wir sicher sein, dass die Videos von Überwachungskameras nicht auch für ganz andere Zwecke als die Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden, wenn es denn mal passend erscheint?

Die Antwort: Es ist nicht auszuschließen. Und wenn Polizisten selbst am helligten Tag, vor vielen Zeugen ihre Macht so missbrauchen, wie jetzt in Berlin -  dann ist grundsätzliches Misstrauen gegen jede Form von Polizei-Präsenz und Überwachung völlig berechtigt.

Noch misstrauischer jedoch sollte uns die Reaktion der Polizeiführung machen: In einer ersten Pressemiteilung wurde die Aktion zunächst als völlig gerechtfertigt hingestellt. Das passt jedoch nicht zu dem, was auf dem Video zu sehen ist, sondern auch zeitlich nicht. Wie der Anwalt des Opfers schlüssig belegt, lagen zwischen den zur Begrünung herangeführten Vorfällen und der Prügel-Attacke mehr als 30 Minuten.

Mein Mandant ist Augenzeuge eines aus seiner Sicht unverhältnismäßigen polizeilichen Gewalteinsatzes gegenüber einer Frau geworden und hat daran beteiligte Polizeibeamte nach der Dienstnummer gefragt. Diese weigerten sich, die Dienstnummer herauszugeben und verlangten, daß die Straße in der Nähe der Lautsprecherwagen des Chaos-Computer Clubs und eines weiteren Lautsprecherwagens geräumt würde. Der Mandant hat sich daraufhin mit seinem Fahrrad auf den Bürgersteig begeben, wie von der Polizei gehießen. Er wurde daraufhin - der Mandant ist eher von keiner Statur und schmächtig - von hinten ergriffen von einem Polizeibeamten, auf das Straßenland zurück gerissen, etwa 3m über das Straßenland gezogen und geschubst, sodann in den Schwitzkasten genommen und mit dem Kopf 2x gegen einen Lautsprecherwagen von Demonstrationsteilnehmern geschlagen, und sodann in ein Gefangenentransportfahrzeug verbracht, und dort weiter misshandelt. Zu keinem Zeitpunkt hat sich der Mandant polizeilichen Weisungen oder gar einem Platzverweis widersetzt. Ihm ist weggenommen worden eine handschriftliche Aufzeichnung, die er sich gemacht hatte, um den Beamten zu identifizieren, der der eingangs erwähnten Frau unverhältnismäßige Gewalt angetan hat.

Mit der Begründung, die Beamten seien "bei früheren Demonstrationen nicht negativ aufgefallen" verzichtete die Polizeiführung auch auf eine Suspendierung der Beamten. Dabei sind die 21. bis 23. Hundertschaften über Landesgrenzen hinaus für ihre Knochenbrecher-Einsätze berüchtigt - siehe z.B. fefes-blog. Fefe schreibt darin:

Nur konnte da bisher mangels Videomaterial mysteriöserweise vor Gericht nie der Täter identifiziert werden. Die Frankfurter Rundschau hat auch bessere Statistiken als ich:
Gegen Berliner Polizisten kam es in den vergangenen Jahren häufig zu Ermittlungen wegen Vorwurfs der Körperverletzung im Amt. Im Jahr 2008 waren von insgesamt rund 1500 Strafermittlungsverfahren gegen Polizisten, 636 Ermittlungen wegen Körperverletzung. In 615 Fällen stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ein, sechs beschuldigte Beamte wurden freigesprochen, verurteilt wurde nicht einer.
Bekannt ist die Berliner Polizei auch für den illegalen Einsatz von Quartz-Handschuhen (die zu schweren Verletzungen führen) und Nazi-Kleidung.

Ein anderes Beispiel aus Hamburg belegt, wie sorglos und gleichgültig sich Polizei-Führung und Politik vor die Polizisten stellen:

Am Rande einer Demo in Hamburg waren mindestens fünf Polizisten brutal über den NDR-Fernsehreporter Oliver Neß hergefallen waren, hatten ihn zusammengeschlagen und schwer verletzt. Bei der Prügelorgie versuchten die Polizisten offenbar gezielt, Neß für längere Zeit auszuschalten. Mehrere Beamte sollen den Reporter festgehalten haben. Dann, so die Ermittlungen der Staatsanwälte, habe einer aus der Truppe ihm den rechten Schuh ausgezogen und den Fuß mit aller Kraft "mindestens zweimal nach beiden Seiten verdreht". Beide Bänder am Fußgelenk rissen ab, Neß ist seitdem in ständiger ärztlicher Behandlung. Der Journalist muß mit dauerhaften Schäden rechnen.

Die gesamte Szene war von einer Überwachungskamera gefilmt worden. Doch als die Strafverfolger das Band in den Recorder schoben, sahen sie zwar Szenen der Demonstration, aber genau in der Zeit als die Polizisten brutal über Neß hergefallen waren, flimmerte sechs Minuten lang nur Schnee über den Bildschirm. Zugang zu dem Band hatten bis dahin nur Polizisten und Staatsanwälte.

Ein zweites Video, aufgenommen von einem Polizei-Kameramann, der die Demonstration verfolgt hatte, ist spurlos in den Archiven der Behörde verschwunden. Die Polizei versicherte den Staatsanwälten, dieser Film gebe ohnehin nichts her. Der Kollege habe den größten Teil des Geschehens nur durch den Sucher beobachtet, die Kamera aber nicht eingeschaltet. Ähnlich Merkwürdiges widerfuhr allen Funkmitschnitten des Einsatzes. Sie wurden, angeblich durch ein Versehen, gelöscht, ehe die Ermittler sie auswerten konnten.


Quelle: Spiegel.de

Den Wünschen & Forderungen von C.Hoffmann in seinem Blog kann ich mich nur anschließen:

Ich hoffe sehr das dem Fahrradfahrer gesundheitlich schnell wieder gut geht und das Herr Eisenberg (Anmerkung DirekteAktion: Anwalt eines Opfers) eine Verurteilung zu einer Haftstrafe ohne Bewährung erreichen kann und der Polizist und seine Vorgesetzten aus dem Amt entfernt werden. Solche Polizisten haben in der Polizei nichts verloren!

Dem Staat hat die Polizei einen Bären-Dienst erwiesen: Nach der Demo zeige die Polizei live , wovor die Demo warnen sollte. Nicht wenige junge Menschen lernen aus diesen Ereignissen: Du kannst dem Staat (und besonders seiner Polizei) nicht trauen. Sie sind deine Gegner. Ein Posting bei Twitter zum Thema belegt das sehr schön:


Der Piratenpartei konnte dagegen so kurz vor der Wahl nichts besseres passieren, als diese drastische Warnung vor staatlicher Arroganz und Kompetenzmissbrauch. Keine andere Stimmabgabe als für die Piraten kann ein deutlichers Signal gegen solches Unrecht sein.

Zur Forderung des CCC nach eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten werde ich mich hier in Kürze noch ausführlicher äußern.

Siehe auch:
Grundlose Polizeigewalt bei "Freiheit statt Angst"
Junge Piraten rufen zur Mahnwache gegen unverhältnismäßige Polizeigewalt auf
Dr. Motte & der Wahlkampf der Piraten
Pädophile straffrei - CDU & SPD treiben Staatsanwalt zur Aufgabe
Flugblatt gegen die FDP-Unterstüzung des Putsches in Honduras

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