26. Juli 2009
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15:06
Nachdem neben der FDP auch zwei meiner Gesprächspartner bei Twitter den Militärputsch in Honduras verteidigt haben und Twitter für eine detailierte Diskussion denkbar ungeeignet ist, möchte ich hier etwas intensiver auf das Thema eingehen.
Hintergund: Vor einigen Wochen hat das Militär des mittelamerikanischen Staates Honduras den demokratisch gewählten Präsidenten Zelaya noch im Schlafanzug verhaftet und - immer noch im Schlafanzug - ausser Landes bringen lassen.
Soweit hört sich das noch ganz ämüsant und mehr nach Opperette als nach Politik an. Doch was folgte, war weniger amüsant: Ausgangssperren wurden verhängt, Zeitungen und das Internet strikter Zensur unterworfen, wer protestierte wurde verhaftet oder gleich erschossen.
Dennoch verteidigen ein paar Leute auch in Deutschland diesen Militärputsch
Zunächst möchte ich - weil die Argumente sonst arg durcheinander gehen - verschiedenen Ebenen der Diskussion unterscheiden: Die der Person Zelaya, die Verfassungsrechtiche, die Demokratische und die der zugrunde liegenden Konflikte.
Die Person Zelaya
Der rausgeworfene Präsident Zelaya kommt ja aus dem bürgerlichen Lager der wenigen Großgrundbesitzer und Industriellen des Landes. Von ihm wurde erwartet, dass er eine strikt neoliberale Politik zugunsten dieser Oberschicht machte. Er hat aber nach und nach eine differenziertere Politik eingeschlagen und sich z.B. der Alba (Alianza Bolivariana para las Américas: lateinamerikanisches Integrationsprojekt unter der Führung Venezuelas) angenähert, trat für Mindestlöhne und bäuerliche Landrechte ein und erlaubte keine weiteren Privatisierungen.
Manche werfen ihm vor, dieses nur zu tun, um eine zweite -von der Verfassung nicht vorgesehene - Amtsperiode regieren zu können. Die sozialen Bewegungen von Honduras und mit ihnen viele Menschen der MIttel- und Unterschicht indes halten diese Politik für richtig und Zelaya für glaubwürdig und fordern die Rückkehr des abgeschobenen Präsidenten.
Zelaya ist dabei kein Radikaler oder Linker: Er wurde als Kandidat der liberalen Partei zum Präsidenten gewählt und vertritt wirtschaftlich eine Marktorientierung. Seine Bemühungen, im armen Honduras für einen sozialen Ausgleich zu sorgen, hat die reichen Eliten des Landes gegen ihn aufgebracht.
Ich habe persönlich keine Sympathie für Präsident Zelaya - ähnlich wie ich im Falle des Iran für keinen der Präsidentschaftskandidaten Sympathien hege oder übergroße Hoffnung in ihre Person setze. Ich halte -nur weil ich denke, das er rechtmäßiger Präsident von Hoduras ist, ihn keineswegs für vertrauenswürdig und nicht mal unbedingt für einen Demokraten. Solange er jedoch gewählt ist und ihm kein Mißbrauch seine Amtes nachgewiesen (s. die rechtsstatliche Perspektive) werden kann, ist er der rechtmäßige Präsident von Honduras.
Die verfassungsrechtiche Perspektive
Zunächst: Ich bin kein Experte für honduranisches Verfassungsrecht. Ich gebe hier wieder, was ich soweit recherchieren konnte. Da die Verfassung immer als Argument angeführte wird, möchte ich jedoch darauf eingehen.
Das Oberste Gericht von Honduras hat verfügt, das das Militär den Präsidenten absetzen solle. Dem Militär wiederum billigt die Verfassung wohl das Recht zu, über die Verfassung zu wachen.
Was hat Präsident Zelaya also getan, das seine Absetzung angeordnet wurde. Er hat ein Referendum organisiert, bei dem die Bevölkerung darüber abstimmen sollte, ob ihm eine dritte Amtszeit gewährt werden sollte.
Ein solches Referendum ist auch nach der honduranischen Verfassung nicht verboten. Da es auch nicht vorgesehen ist, hätte keinerlei bindende Wirkung gehabt, wäre also verfassungsrechtlich irrelevant. Da Zelaya noch keine dritte Amtszeit angetreten hatte, hat er mit einem Referendum nicht gegen die Verfassung verstoßen.
Nun kann man ihm vorwerfen, er habe die Verfassung ändern wollen und dafür die Unterstüzung der Bevölkerung gesucht. Nun, Verfassungsänderungen sind nicht verfassungswidrig. In Deutschland sind sie z.B. mit zwei Dritteln Zustimmung des Bundestages möglich - ohne Befragung der Bevölkerung.
Aber selbst wenn Zelaya gegen die Verfassung verstoßen hätte: Das deutsche Verfassungsgericht stuft mit schöner Regelmäßigkeit Gesetze, die der deutsche Bundestag beschlossen hat, als verfassungswiedrig ein. Trotzdem würde niemand mit gesundem Menschenverstand auf die Idee kommen, deshalb den Bundestag (oder die Kanzlerin) durch die Bundeswehr außer Landes schaffen zu lassen (auch wenn nicht wenige das im Falle Helmut Kohls vielleicht begrüßt hätten).
Noch ein Nebenaspekt: Rein verfassungsmäßig betrachtet ist übrigens auch die Wahl im Irak und die gewaltsame Niederschlagung der Proteste dagegen völlig in Ordnung. Wer also verfassungsrechtlich argummentiert, kann nicht für den Putsch in Homnduras und gegen das Regimi in Teheran sein.
Die rechtstaatliche Perspektive
Zwei wichtige Aspekte des Rechtsstaates sind die Gewaltenteilung, die Unschuldsvermutung sowie die Überprüfung staatlicher Entscheidungen und staatlichen Handelns durch unabhängige Organe (Anfechtungs- und Appellationsrecht).
Die Gewaltenteilung sieht vor, dass das Beschluss von Gesetzen, ihre Durchsetzung und die Überwachung ihrer Einhaltung sowie die Bestrafung (Legislative, Exekutive und Rechtsprechung) getrennt werden. Das Oberste Gericht von Hoduras hat jedoch selbst Ankläger und Richter gespielt. Sein im geheimen gefällter Beschluss - ohne Verteidigung - und sein nächtlicher Auftrag an das Militär hält einer rechtsstaatlichen Überprüfung kaum stand.
Deshalb wurde Präsident Zelaya auch - noch im Schlafanzug - schnellsten außer Landes geschafft, statt ihm vor Gericht seine "Taten" nachzuweisen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung zu geben. Unschuldsvermutung?
Auch jetzt wird ihm jede Gelegenheit verwehrt, die Entscheidung des Obersten Gerichts anzufechten. Kaum etwas fürchtet die Militär-Regierung mehr als seine Rückkehr nach Honduras.
Daher kann von einem rechtsstatlichen Vorgehen in Hoduras kaum geredet werden. Im Gegenteil: Die ganze Aktion erinnert an unzähliche rechtsgerichtete Militärputsche in MIttelamerika. Kein Wunder auch, wenn die Putsch-Regierung Mörder und Folterer der vergangenen Diktatur recycled.
Die demokratische Perspektive
Der rechtmäßie Präsident von Hoduras kann auf eine starke demokratische Legitimation zurückblicken. Er ist mit klarer Mehrheiten von der Bevölkerung direkt zum Präsidenten gewählt worden.
Als die Militärs im Parlament über den Nachfolger von Zeyala abstimmen ließen, wurden zahlreiche Abgeordnete nicht eingeladen bzw. nicht hineingelassen. Es ist auch nicht geplant, die Miltitäregierung durch Wahlen zu legitmieren.
Die staatlichen Fernseh- und Radiosender und einige private Rundfunkanstalten wurden von Militäreinheiten besetzt und abgeschaltet. Die verbliebenen Medien durften nicht über die politischen Ereignisse berichten. Die Signale von ausländischen Sendern wurden zeitweise auch unterbunden. Die verhängte Zensur von Medien und Internet sowie die systematische Verhaftung und Tötung von Gegner der MIlitärregierung spricht eine deutliche Sprache, was das Interesse der Machthaber an demokratischer Legitimation angeht.
Ein paar Beipiele (zitiert nach Indymedia):
- - Olancho: In Olancho wurden Bürgermeister, welche als Anhänger von Präsident Mel Zelaya identifiziert wurden, festgenommen. Die Radiostation von Juticalpa in Juticalpa, Olancho wurde durch die Luftwaffe beschossen.
- -Colón: Frauen aus Colón berichteten von gewaltsamen Rekrutierungen zur Armee. Aus der Armee waren viele Soldaten in dieser Zone desertiert. Aus den Häusern wurden Jugendliche bis zu zwölf Jahren rekrutiert.
- - Yoró: Demonstranten wurden festgenommen darunter Marcelino Martínez, Jorge Cordón und Eric Oliva. Der Radiosender Progreso der Jesuiten wurde von Militärs besetzt und die Einrichtung zerstört. Die Nachbarschaft versuchte vergeblich den Radiosender zu schützen.
- - Santa Bárbara: Haftbefehle gegen sieben Bürgermeister, den Gouverneur des Departamientos wie auch für einen Parlamentskandidaten wurden ausgestellt
Statt dessen setzt das Militär auf Todesschwadronen, um die Gegner des Putsches zu "beseitigen".
Der zugrunde liegenden Konflikt
Hinduras ist ein armes Land, regiert von einer extrem reichen Oberschicht von Grundbesitzern und Industriellen, die allein von den Exporten des Landes profitieren und die politische Landschaft bestimmen. Zu dieser Oberschicht gehören auch die führenden Militärs, die sich aus ihr rekrutieren und selbst profitieren.
Diese Oberschicht hat in der Geschichte von Honduras schon mehrfach zum Mittel der Militärputsche und Diktaturen gegriffen, wenn Wahlen nicht die gewünschten Ergebnisse brachten: Es gab in den letzten 150 Jahren immerhin 125 Militärputsche in Honduras.
Dieser Oberschicht war die Annäherung des Präsidenten Zelayan die anderen (vermeintlich "linken") Staaten Mittelamerikas, die sich in der Alba organisierten ein Dorn im Aufge, ebenso wie die von ihm begonnenen sozialen Reformen. Die breite Bevölkerung - und insbesondere die weitgehend rechtlosen Indios - jedoch sahen aufgrund dieser Politik in Zelaya einen Hoffnungsträger. Daher fürchetet die Oberschicht eine demokratische Auseinandersetzung und rief (mal wieder) nach dem Militär.
Doch weniger denn je findet auch in Mittelamerika eine solche Durchsetzung von Machtinteressen mit Waffengewalt noch Zustimmung.
Daher sollten wir die Bevölkerung in Honduras bei ihrem Kampf um Demokratie unterstützen, so wie wir die Menschen in Iran unterstützen. Das Militätregime in Honduras muss isoliert und boykottiert werden, solange bis der rechtmäßige Präsident wieder im Amt ist. Das Militär muss klar in seine Schranken gewiesen werden.
Erst dann können Wahlen und Abstimmungen glaubwürdig über die Zukunft des Landes entscheiden.
Foto: Ricardo Stuckert/PR licensed under a Creative Commons Attribution 2.5 Brazil License
Siehe auch:
Regierung mit Mörder
Anti-demokratische Tendenzen der FDP werden offensichtlich
Todesschwadrone in Honduras
Putschisten eröffnen das Feuer: Armee schießt auf Demonstranten
Sowie das aktuelle Interview in der taz mit Rafael Alegría.