Alle? Nein, eine kleine Gruppe von Widerspenstigen kann den allgemeinen Jubel über die vermeintlich erfolgreiche Blockade des Nazi-Aufmarsches am 13.2. in Dresden nicht teilen:
Wenn Antifaschist_innen nun „Dresden“ abfeiern und zur „Siegesdemo“ strömen, wenn Dresden als „Bollwerk gegen Rechts“ bezeichnet wird, dann ist es höchste Zeit für Kritik.
[...]
Mit dem Verzicht auf eine inhaltliche Kritik entledigte man sich dem Werkzeug, mit dem einzig gegen Nazis und die ihnen (und nicht nur ihnen) zugrunde liegenden Ideologien agiert werden kann. Denn Nazis sind deshalb scheiße, weil sie Rassist_innen, Antisemit_innen, oder – in Dresden besonders relevant – Geschichtsrevisionist_innen sind. Also Anhänger_innen antiindividualisitscher und menschenverachtender Ideologien. Kritik muss an diesen Ideologien und im konkreten Fall ansetzen; richtet sie sich nur oberflächlich „gegen Nazis“, bleibt sie stumpf.
Mit dieser Kritik der Antifa Freiberg wird zunächst mal nur das Problem angsprochen, das breite Mobilisierungen immer zu einem Verlust an inhaltlicher Auseinadersetzung führen. Richtig und berechtigt.
Doch dann wendet man sich den eigenen, doch vermeintlich "besseren" Antifaschisten zu:
Dresden scheint nicht wenigen Spaß bereitet zu haben und das ist bedauerlich. Naziaufmärsche und Polizeieinsätze in verwinkelten Straßen sind kein Abenteuerspielplatz, wo man seine revolutionäre Energie ausleben kann, sondern sollten gar nicht existieren. Die Vermutung, manchen würde dann etwas fehlen, scheint aber gar nicht so abwegig. Zu kritisieren ist hier vor allem das Auftreten des so genannten „Black Block“, der trotz aller anders lautender Beschwörung einer homogenen Masse Riot suchender Actionkiddies gleicht. Eine Rechtfertigung für das Auftreten als „Black Block“ gibt es in Dresden nicht und das Katz und Maus Spiel mit den Repressionsapparaten des Staates könnte wohl ein ums andere mal umgangen werden. Es ist schlicht nicht notwendig, solange Blockaden nicht geräumt werden und damit das erklärte Ziel eigentlich erreicht ist. Fragen muss man sich, was das kollektive Auftreten als schwarze Masse nach außen symbolisiert. Nicht nur das mackerhafte Auftreten ist aus antisexistischer Sicht zu problematisieren, sondern vor allem die völlige Liquidation des Individuums im Kollektiv und der gemeinsamen Tat, die Identität und Gemeinschaft stiftet, etwas also, dem es aus ideologiekritischer Sicht entgegenzutreten gilt. Nicht ohne Grund können sich Autonome Nationalisten so problemlos dieser Codes und Styles bedienen – sie missbrauchen sie nicht, sondern führen vielmehr vor Augen, wie inhaltsleer diese schon immer gewesen sind.
Damit lenken die Freiberger von Kritik auf Konstruktiv um:
Und ein bisschen dient punktuelles Anti-Nazi-Engagement wohl auch der Gewissensberuhigung und der Vergewisserung der eigenen antifaschistischen Identität. Wie kommt es sonst, dass der Großevent Dresden tausende Menschen mobilisieren kann, während in der ostdeutschen Provinz Antifagruppen immer wieder auf sich allein gestellt bleiben, wenn sie tatsächlich versuchen die Hegemonie der Nazis zu brechen?
Notwendig wäre außerdem eine konsequente antifaschistische Intervention im ländlichen Raum, die vor allem darin besteht, Nazis dort entgegenzutreten, wo sie Jugendklubs und peer groups bestimmen und ihren Nachwuchs rekrutieren. Das erfordert alternative Subkulturen und linkes Engagement und zwar nicht nur im Autonomen Zentrum im alternativen Kiez der Großstadt, sondern vor allem in Städten wie Pirna, Colditz, Mügeln, Wurzen, Limbach-Oberfrona und den angrenzenden Dörfern. In Dresden treffen sich tausende Nazis nur einmal im Jahr, in ihren Herkunftsregionen wirken sie aber permanent. Das ist die konkrete Gefahr, die von Nazis heute ausgeht und dagegen nützt Symbolpolitik, wie sie in Dresden zelebriert wurde, nichts; im Gegenteil, sie vernebelt den Blick
Ihr Fazit:
Schließlich bleibt festzustellen, dass menschenverachtendes Gedankengut nicht auf Nazis beschränkt bleibt. Es gilt menschenverachtende Ideologien überall zu kritisieren.
Hier der gesamten Texte der Antifa Freiberg
Ganz teile ich ihre Ansichten allerdings nicht. Zum einen ist ihre Pauschalkritik gegen andere "linke" Gruppen am Schluss so undifferenziert und polemisch, dass es fast die klugen Argumente davor entwertet. Man kann nicht erst eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Nazis fordern und dann alle anderen in einem einzigen Satz in einen Topf werfen.
Und: Nur weil die Blockade von Dresden inhaltlich schwach auf der Brust war, ist das kein Grund auf solche Aktionen zu verzichten. Denn
1.) Ein Verzicht auf die Blockaden hätte den Nazis das mediale Feld überlassen und ihre Parolen wären vom TV und Zeitungen über die gesamten Repubilk verbreitet worden. So aber wurden sie von der Diskussion ob der Rechtmäßigkeit und dem Nutzen von Blockaden und Menschenketten völlig in den Hintergrund gedrängt.
2.) Viele Menschen haben in Dresden zum ersten Mal die Gewalttätigkeit der Polizei kennengelernt - und ihr widerstanden. Das wird ihr Verhältnis zur Polizei und zum Staat nachhaltig beeinflussen.
3.) Viele Menschen haben in Dresden zum ersten Mal gewaltlosen Widerstand erlebt und erprobt. Das ist eine wichtige Erfahrung.
4.) Aktionen wie die Blockaden erzeugen eine erhebliche Mobilisierung gegen Nazis. Leute, die sonst nur vor der Glotze oder in der Kneipe abhängen, kriegen den Arsch hoch und tun was, statt nur zu labern. Schon das ist wertvoll. Aber noch mehr: Da man nicht "nicht kommunizieren" kann, findet auch in der - nach außen vielleicht homogen erscheinenden - Masse ein Austausch statt. Unvermeidlich. Und das ist gut so.
5.) Solche Aktionen senden auch Signale an die Parteien. Die von Dresden waren:
a) Nazis sind nicht akzeptabel Tut was!
b) Menschenketten schön und gut, aber: Verhindert wurde der Aufmarsch von den Blockierern
Letzteres wird vor allem die CDU wurmen (auch wenn sie es nie zugeben wird), denn gerade ihr, der Partei der "harten Hand", ihren MItgliedern und Anhängern ist linke Symbolik wie Mahnwachen und Menschenketten sehr suspekt. Gerade die typischen CDU-Anhänger sind viel geneigter, mal ordentlich hinzulangen, als sich in einer Menschkette den Arsch abzufrieren.
Insofern - und da schließe ich den Kreis selbst mit einer kleinen Polemik - sind sich autonome Antifaschisten und CDU-Anhänger gar nicht so unähnlich.
Siehe auch:
NPD-"Hessen-Kongress" am 27.2.
Müssen Demos gegen Nazis wirklich sein? Kann man die nich einfach mal wegignorieren?
Mein, dein, unser... täglicher Rassismus
Inglourious Basterds: And we'll never rest again...
1. Mai: "Linke" Nazi-Strategie
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