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4. Februar 2013 1 04 /02 /Februar /2013 15:13

400 Euro für ein winziges WG-Zimmer? Seit einem Jahr auf Wohnungssuche - und 50 Mitbewerber bei jeder Besichtigung? Die Miete verschlingt das halbe Einkommen? In vielen Städten ist das üblich. Anfang November gingen deshalb erneut Tausende auf die Straße, um den "Mieten-Wahnsinn" zu stoppen.

Dieser Wahnsinn hat System. Die bestehenden Gesetze zur Mietpreis-Regulierung laden Vermieter förmlich dazu ein, Mieten regelmäßig in erheblichem Ausmaß zu erhöhen. Wohnen ist kein Konsumgut wie jedes andere, sondern ein Grundbedürfnis. Dennoch fehlen bundesweit 250.000 Mietwohnungen - und die Wohnungsnot droht weiter zu wachsen.

 

Mieterhöhung: ein Spiel ohne Grenzen

Das Gesetz gegen Mietwucher (§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz) ist ein stumpfes Schwert. Zwar sieht es vor, dass Vermieter Ordnungsgeld riskieren, wenn sie mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete nehmen. Weil jedoch im Einzelfall bewiesen werden muss, dass dabei die Not von Mietern vorsätzlich oder leichtfertig ausgenutzt wurde, geschieht auch bei Überschreiten der Wuchergrenze in der Regel nichts. Sehr frei in der Preisgestaltung sind Vermieter vor allem bei Neuvermietungen oder Mieterwechsel. Preissprünge von 60 Prozent sind etwa in Hamburg nicht nur möglich, sondern üblich geworden. So werden Bewerber bei Wohnungsbesichtigungen etwa gefragt:

"Falls es mehr als einen Interessenten für diese Wohnung geben sollte, wären Sie auch bereit, eine höhere Miete zu zahlen? Wenn ja, welche?" (Quelle: Spiegel-online)

Um Preissprünge bei Neuvermietungen gesetzlich zu begrenzen, plant Hamburg für Anfang 2013 eine Bundesrats-Initiative. Der längst überfällige Vorstoß hat jedoch erhebliche Schönheitsfehler. So soll die geplante Obergrenze nach Auskunft des Hamburger Senats satte 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Das ist immer noch viel zu hoch.

Steigende Mieten, sinkende Einkommen

Auch sonst muss im geplanten Entwurf nach gebessert werden - etwa hinsichtlich von Mieterhöhungen in laufenden Verträgen. Bisher darf laut BGB in bestehenden Mietverhältnissen die Miete binnen drei Jahren um 20 % erhöht werden. Vermieter müssen für diese Mieterhöhungen keinen Grund angeben und auch keine höhere Leistung erbringen. Höhere Kosten holen sie sich gesondert von den Mietern zurück, über die Betriebskostenabrechnung oder die sogenannte Modernisierungsumlage.

Selbst bei steigenden Löhnen und Gehältern hätten viele Mieter Schwierigkeiten, mit den gesetzlich erlaubten Mieterhöhungen mitzuhalten. Wer bekommt schon Gehaltserhöhungen von über 6 Prozent im Jahr? In den letzten Jahren sind die realen Einkommen der unteren bis mittleren Einkommensgruppen im Durchschnitt sogar gesunken, bei den ärmsten Haushalten um ganze zehn Prozent. Geringverdiener geben heute fast den halben Monatslohn nur für das Dach überm Kopf aus (Wohnungsmarktbericht der Bundesregierung 2012).

 

Die Teuerungs-Spirale: erhöhst du, erhöhe ich auch!

 

Die "ortsübliche Vergleichsmiete" ist Dreh- und Angelpunkt des Mietpreis-Systems, denn bis zu diesem Wert darf die Miete in laufenden Verträgen alle 15 Monate erhöht werden. Bei der Ermittlung des Vergleichswerts werden nur Mieten berücksichtigt, die in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert - also fast immer erhöht - wurden. Eine Teuerungs-Spirale: Jede einzelne Mieterhöhung drückt den Vergleichswert ein bisschen höher - und ein höherer Vergleichswert rechtfertigt dann wieder neue Mieterhöhungen. Genau dieser Teufelskreis läuft seit Jahren in den meisten größeren Städten ab und droht immer mehr Regionen zu erfassen.

Zur Dämpfung der Preisspirale muss der Berechnungszeitraum für die Vergleichsmiete deutlich ausgedehnt werden, von vier auf zehn Jahre. Denn sonst würde der beschleunigte Anstieg der Mieten in jüngster Zeit dazu führen, dass die Mieten demnächst noch schneller steigen. Zudem muss der Vergleichswert künftig auch die Mieten berücksichtigen, die konstant geblieben sind.

 

Sozialwohnungs-Notstand

5,6 Millionen Haushalte haben aufgrund ihres geringen Einkommens einen Rechtsanspruch auf eine Sozialwohnung. Der soziale Wohnungsbau wurde jedoch schon vor Jahren fast vollständig gestoppt, die Zahl der Sozialwohnungen halbierte sich seit 1990 von drei auf etwa 1,5 Millionen. Ein Großteil der vorhandenen Sozialwohnungen wurde an Privatinvestoren verkauft, andere werden von kommunalen Unternehmen vermarktet - zu deutlich höheren Mietpreisen als zuvor. Diese Mieten liegen oft weit über dem, was Hilfsbedürftige als "Kosten der Unterkunft" von Jobcenter oder Sozialamt bewilligt bekommen.

Bundesweit fehlen heute rund 4 Millionen Sozialwohnungen - und die Lücke zwischen Angebot und Bedarf wird immer größer.  Denn immer noch landen jedes Jahr über 100.000 Sozialwohnungen auf dem "freien" Markt, weil die soziale Bindungsfrist ausläuft. 2013 wird neu verhandelt, wie viel Geld der Bund in den nächsten Jahren für die Soziale Wohnraumförderung der Länder beisteuert. Dann müssen nicht nur die Fördersummen deutlich erhöht werden - auch der Umgang damit muss sich ändern. So wurden in den letzten Jahren über 40 Prozent des Geldes zur Förderung von Eigentumswohnungen missbraucht. Damit muss Schluss sein.

Was lief schief im Sozialen Wohnungsbau?

Aus vergangenen Fehlern lernen heißt auch bei der Förderung von Mietwohnungen, dem eigentlichen Sozialen Wohnungsbau. Bisher funktionierten bundesdeutsche Bauprogramme meist so: Private Investoren bauen und verpflichten sich, die Miete für eine bestimmte Dauer auf niedrigem Niveau zu halten. Dafür bekommen sie öffentliche Förderung beim Bau und anschließend Zuschüsse, um die Differenz zwischen der niedrigen Sozialmiete und der - oft künstlich aufgeblähten - kostendeckenden Miete (Kostenmiete) auszugleichen. Bis zum Ablauf der sozialen Bindungsfrist haben öffentliche Hand und Mieter die Häuser meist doppelt und dreifach bezahlt, Investoren und Banken ein Bombengeschäft gemacht. Nach Fristablauf brechen dann die Dämme: Mieten werden drastisch erhöht, Einkommensschwache verdrängt, Wohnungen verkauft. Damit Geringverdiener sich überhaupt noch eine Bleibe leisten können, muss der Staat ihnen dauerhaft Wohngeld zahlen. Private Investoren hingegen erzielen mit ehemaligen Sozialwohnungen heute bis zu 31 % Jahres-Rendite.

Nachhaltig sozial: Vorbild Österreich

Wie es anders besser geht, demonstriert beispielsweise Österreich. So wurde ein großes Bauprojekt in der Salzburger Innenstadt kürzlich als "Best Practice"-Beispiel vom European Housing Forum ausgezeichnet: hochwertige Wohnungen mit Balkon, in zentraler Lage für eine Kaltmiete von 4,78 Euro/qm. Sozialbindung: unbefristet. Verluste für die öffentliche Hand: keine. Der Trick: Banken und rendite-orientierte Investoren dürfen nicht mitspielen. Das senkt die Kosten um 40 Prozent. Die öffentliche Hand finanziert den Wohnungsbau über gemeinnützige Fonds, in denen das Geld aus den Mietzahlungen zurückfließt ("revolvierende Fonds"). Wenn die Investition abbezahlt ist, steht das Geld wieder für neue gemeinnützige Investitionen zur Verfügung.

 

Quelle: Campact 

 

 

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