
Ist sozialistische / sozialdemokratische Wirtschaftspolitik doch besser als eine Marktpolitik? Ein paar neuen Erkentnisse und der erste Versuch ihrer Einordnung, für den ich von meinen „liberalen“ Freund sicher wieder viele Prügel beziehen werde. Nun denn.
Nach brandaktuellen Daten zum Welthungertag (offiziell: „Welternährungstag“) (schön zusammengefasst in einem Artikel der HAZ vom 17.10.09, der aber leider nicht online zu haben ist) versagt die Marktwirtschaft bei ihrem Kampf gegen den Hunger auf ganzer Linie.
So wissen jeden Tag 1,02 Milliarden Menschen nicht, ob sie am gleichen Tag etwas zu essen bekommen werden. Laut Josette Sheeran, Direktorin des UN Welternährungsprogrammes, war für jeden sechsten Menschen der Welternährungstag ein Welthungertag.
Und: Alle 6 Sekunden stirbt laut HAZ irgendwo auf der Welt ein Kind. Wohlgemerkt: Ein geborenes Kind! Abtreibungsgegner sollten da mal ihre Prioritäten gründlich überdenken.
Nennenswerte Fortschritte gibt es fast nur aus Regionen zu melden, die sich dem marktwirtschaftlichen Dogma nicht oder nicht vollständig unterworfen haben:
- Zunächst ist da auf jeden Fall Kuba zu nennen. Das sozialistische Kuba hat (als einziges Land Lateinamerikas!) den Hunger schon lange besiegt und (auch den Ärmsten) bietet ein Gesundheitssystem, das zumindest diesen Namen verdient. Damit ist Kuba nicht nur den anderen lateinamerikanischen Staaten voraus, sondern auch den USA überlegen.
- Enorme Fortschritte hat in der gleichen Region nun auch Brasilien gemacht. Seit 2003 mit Lula da Silva erstmals ein sozialdemokratischer Präsident gewählt wurde, wurde in sieben Jahren der „millionenfache Hunger […] weitgehend ausgemerzt“ (Zitat: HAZ). Lulas Rezept: Staatliche Umverteilung. Von der gestiegenen Kaufkraft der Armen profitiert übrigens das ganze Land: In Brasilien ist die Weltwirtschaftskrise fast nur in den Vorständen der Banken zu spüren.
- Weiteres Land auf der Erfolgsliste der HAZ im Kampf gegen den Hunger: China. „China ist in Sachen Armutsbekämpfung das effektivste Land der Welt!“ Das stammt nicht nicht von Sarah Wagenknecht, sondern steht prominent in einem Artikel der konservativen Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, die sonst für die CDU Wahlkampf macht.
Die Zeitung weiter: „Fast überall haben die Menschen genug zu essen, beinahe jedes Dorf hat Strom und die meisten einen Fernsehanschluss.“ In den letzten 30 Jahren seien 300 Millionen Menschen aus bitterster Armut geholt worden.
- Letzte Nennung der HAZ ist das bitter-arme afrikanische Land Malawi, das dank eines staatlichen Programmes heute erstmals nicht nur seine Bevölkerung selbst ernähren, sondern auch mehr überschüssigen Mais exportieren kann, als jedes andere Land südlich der Sahara.
In anderen Länder dagegen tut sich nichts. Siehe: „Wie die Wirtschaftskrise den Hunger antreibt: Die Armen sanieren die Reichen“ (taz)
In Sachen Hungerbekämpfung muss man also nach vielen Jahren experimentieren mit liberalen Konzepten gegen den Hunger feststellen: Der Markt hat versagt, der Staat zumindest in einigen Beispielen dagegen klare Erfolge erzielt.
Natürlich werden knallharte Neoliberale jetzt einwenden: es konnte auch gern nicht anders sein, da ja die Bedingungen für einen Erfolg der Märkte nicht perfekt waren. Doch das werden sie nie sein! Und wollen wir wirklich Millionen Menschen verhungern lassen, bis perfekte Bedingungen für den Markt geschaffen sind? Das kann keine Lösung sein. Insbesondere, wenn es – wie nun bewiesen -
Alternativen gibt.
Noch auf etwas sei jedoch hingewiesen: In keinem der angeführten Beispiele ist reiner Sozialismus (wie von einigen Ideologen immer noch propagiert) am Werk. Alle genannten Länder haben Wirtschaftssysteme, die staatliche und Marktmechanismen gleichzeitig verwenden.
Die sozialistischen Regierungen sind längst von der reinen Lehre abgewichen. Wann werden die Liberalen davon lernen?
Siehe auch:
Zahl der Hungernden überschreitet Milliardengrenze
Honduras: EU spricht mit gespaltener Zunge
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