„Ich habe nichts gegen Fremde“,
so ein geflügeltes Wort des Dorfältesten Methusalix,
„einige meiner besten Freunde sind Fremde.
Aber diese Fremden da sind nicht von hier!"
Ich habe die neuen und alten Hetzer gegen Muslime verschiedentlich als Nazis und Rassisten bezeichnet. Dafür muss ich mich nicht schämen, denn die Ähnlichkeit ist groß genug: Hetze statt Argumentation, Intoleranz anderen Meinungen gegenüber und eine hohe Gewaltbereitschaft prägen diese Gruppen.
Aber trotzdem hatte ich dabei immer ein schlechtes Gefühl. Denn keine der üblichen Definitionen von "Nazis" und "Rassisten" paßt wirklich auf diese Hetzer, die sich an religiösen und kuturellen Merkmalen orientieren, um ihre Opfer zu identifizieren.
Denn (die Suche nach) richtigen Bezeichnungen sind die Grundlage für das Verstehen von solchen Phänomenen. Und das Verstehen ist die Grundlage, um sie effektiv bekämpfen zu können.
Besonders aktuelle Studien zur Haltung der Deutschen zu Themen wie Diktatur, Religionsfreiheit und Fremden haben mich dazu gebracht, hier ein paar mehr Überlegungen zu investieren.
Auffällig: Die Ablehnung von fremden Kulturen und Religionen ist dort am stärksten, wo sie am seltensten anzutreffen sind.
Das ist schon erstaunlich, denn wenn diese Religionen und Kulturen so aggressiv sind, wie manche Hetzer behaupten, dann müßte die Ablehnung dort doch am größten sein, wo diese Religionen & Kulturen am häufigsten auftreten.
Doch Überraschung: In Berlin, in Frankfurt/Main und auch in Mannheim oder Lörrach sind die Werte durchschnittlich bis freundlich - auch wenn die Hetz-Presse gerade von solchen Brennpukten immer die übelsten Nachrichten verbreitet.
Nein, aus der tiefsten Provinz, aus Städten wie Geithain oder Anklam, kommt die Forderung nach Verboten und Einschränkungen, die die Forderer selbst unerträglich fänden, wenn man sie ihnen auferlegen würde.
Hier geht es also nicht um wirklich wahre Erfahrungen mit dem Islam oder Moslems, sondern um Ängste. Angst vor Fremden, die sich in (bis zu Aggression und Gewalt reichender) Ablehnung ausdrückt.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt:
In zigtausenden Beiträgen in Online-Foren wird inzwischen überwiegend undiffierenzierte und überbordende Kritik an Muslimen geübt. Oft zeigt sich unverhohlener Hass auf alles, was verdächtig ist, islamisch zu sein. Manchmal reicht es, für Sachlichkeit zu plädieren, um geschmäht zu werden.
Ursache ist also Angst, dass daraus resultierende Verhalten würden wir dann korrekterweise als Fremdenfeindlichkeit bezeichnen.
In Abgrenzung zu echten Nazis bedeutet das, dass hier weder nach (Welt-)Herrschaft gestrebt wird, noch notwendigerweise eine Diktatur befürwortet wird (pro Diktatur nur 10% der Befragten statt der rund 35% als fremdenfeindlich einzuschätzenden Befragten) .
In Abgrenzung zu Rassisten bedeutet das, dass sich die Ablehnung nicht an Nationalitäten oder Hautfarbe festmachen lässt, sondern an (evtl. nur unterstellten ) kulturellen Verhaltensweisen.
In Abgrenzung zur klassischen Ausländerfeindlickeit bedeutet das, dass sich die Ablehnung nicht an der Nationalität festmacht. Muslime oder Andersdenkende deutscher Herkunft können so genauso massiv angefeindet, dagegen können "Ausländer" aus bestimmten Kulturkreisen (Spanien, Polen, Israel) durchaus als Verbündete gesehen werden (solange sie sich anpassen / unterwerfen).
In Abgrenzung zur reinen Islam-Feindlichkeit bedeutet dieses: Es wird nicht differenziert. Ein iranischer Jude oder ein türkischer Christ sind im Zweifel aufgrund ihrer "Fremdheit" trotzdem Opfer der Fremdenfeindlichkeit.
Natürlich ist der Begriff "Fremdenfeindlichkeit" ziemlich sperrig (und jetzt komme keiner mit dem Fachbegriff "Xenophobie"). Insbesondere wenn es darum geht, über die Täter zu reden, kann "Fremdenfeind" nicht mit "Nazi" oder "Rassist" mithalten. Zu lang, zu eckig. Hier gilt es noch, treffender zu werden.
Trotzdem ermöglicht die Analyse, erste Schritte für Gegenmaßnahmen abzuleiten. Denn Ängste können nur durch Konfrontation / Begegnung / Erfahrungen abgebaut werden.
Das bedeutet, dass wir für Begegnungen zwischen Deutschen und "Fremden" sorgen müssen. Je mehr desto besser. Und für viele von uns bedeutet das, selbst auf die Fremden zuzugehen, denn - seien wir ehrlich - selbst wir Gutmenschen bewegen uns weitgehend in den uns vertrauten (sicheren) Kreisen.
Auch wir sollten uns viel mehr aktiv dem Fremden aussetzen: Durch Beschäftigung mit Sprachen, durch (vorurteilsfreies) Interese für andere Kulturen und Religionen, aber vor allem durch Begegnungen und Kontakte:
- "Tag der offenen Tür" in der lokalen Moschee? Geh hin! Nimm Leute mit!
- Geh auf "fremde" Mitschüler, Kollege, usw. zu ,such das Gespräch
- Wenn "Fremde" etwas "fremdes" tun: Frag nach, sei neugierig.
- Organisier Feste mit "fremden" Anteilen und "fremden" Gästen (privat, an der Schule, bei der Arbeit, im Kindergarten)
- usw.
- eigene Ideen entwickeln
Mehr dazu hier in Kürze.
Nachtrag: Bitte erwarte keiner, das solche Begegnungen völlig ohne Konflikte ablaufen. Das wäre naiv. Konflikte sind erst der Schlüssel zu Veränderungen. Wir müsen uns ihnen allerdings auch stellen.
Update 18.10.: Tippfehler korrigiert
Siehe auch:
Sehr interessanter Artikel zum Thema, woher die Angst vor dem Islam kommt: Historikertag: Ansichts-Sachen. Der Islam in Bildmedien.
Hagen Rethers Antwort auf Frau Merkel
Politically Incorrect 3 - was wir tun wollen
Wie sich das Land Hessen dem Druck religöser Fundamentalisten beugt
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