Der Feminismus verdankt den Piraten viel. Nicht weil sie zu seinen eifrigsten Unterstützern gehören. Sondern weil der Feminismus am besten gedeiht, wenn er Konfrontation und heftige Ablehnung findet. Denn diese Konfrontation und heftige Ablehnung zeigt den Frauen erst, wie notwendig der Feminismus noch ist.
Und es ist heute selten, das sich jemand offen mit dem Feminismus anlegt. Zwar teilt kaum jemand (außer viellleicht ein Teil der Grünen) seine Positionen, aber fast alle Anderen haben erkannt, das jede heftige Kritik am Feminismus (also an der Theorie der Gleichberechtigung von Frauen) fast automatisch die Aufmerksamkeit auf die reale Macht- und Chancen-Ungleichheit zwischen den Geschlechtern lenkt. Und dass ist etwas, das die Männer-Parteien (und vor allem die sie unterstützende Industrie) um fast jeden Preis vermeiden wollen.
Also vermeidet man, offen gegen die Ansichten des Feminimisus zu reden, mit dem Ziel, ihm durch scheinbare Akzeptanz und mangels Gegner die Relevanz zu nehmen.
Das hat auch ganz gut geklappt. Alice Schwarzer & Co. haben sich Mangels respektablen (sich auch öffentlich äußernden) Gegnern auf die Bekämpfung von Symbolen (z.B. Kopftüchern) reduziert und dafür auch von Sexisten reichlich Applaus erhalten.
Viele Piraten Mitglieder dagegen sind - unerfahren im Umgang mit solche sensiblen, nicht -binären Themen - zum Glück voll in die Falle getappt. Ehrlich und direkt wie sie nun mal sind, haben sie die gesamte Ignoranz des Parallel-feministischen Zeitalter offengelegt: Frauen dürfen ja mitmachen, solange sie sich nicht über ihre systematische Benachteiligung / Zurücksetzung beschweren.
Die ganz simplen Geister taten das durch massive sexistische/ persönliche (und ziemliche peinliche) Kommentare (bevorzug aus dem Schutz der Anonymität heraus ) hervor.
Einige etwas Intellektuellere beeilten sich zu erklären, dass sie längst im Zeitalter des Post-Feminismus angekommen und daher solche Debatten aus ihrer Sicht überflüssig seien. Ihnen hätte allerdings auffallen sollen, dass sie vergessen haben, ihren Mitstreiterinnen ihre doch sehr spezielle Definition von Post-Feminismus zu erklären.
Es gab allerdings auch nicht wenige sehr kompetente und gute Diskussionsbeiräge - auf beiden Seiten der Diskussionslinien und von beiden Geschlechtern (z.B. zuletzt "Zwei, drei Gedanken zum Panel 'Sexismus im Netz' " von Antje Schupp) .
Insofern verdanken wir den (Diskussionen innerhalb der) Piraten zweierlei: Erstens diese guten Beiträge, die sonst wohlmöglich nicht geschrieben worden wären und zweitens, das seit langem mal wieder ein breiter Diskurs über Sexismus und Feminismus geführt wurde und zwar bis in die Mainstream-Medien hinein.
Antje Schupps o.g. Bericht von der re:publika hat mir für einen Teil-Aspekt die Augen geöffnet, den ich bisher noch nicht betrachtet hatte und dem ich den Rest dieses Beitrags widmen möchte.
Ich finde die Unterscheidung zwischen Trollen und Sexisten wichtig:
Denn mit Sexisten ist potentiell ein Diskurs über Sexismus möglich (wenn auch oft schwierig), da ihre Äußerungen tatsächlich eine Meinung beziehungsweise eine Weltsicht darstellen. Sie glauben tatsächlich, dass ihre sexistischen Ansichten richtg / wahr sind. Sie mögen diesen Glauben aggressiv und heftigst verteidigen. Aber sie streben zumindet danach, das richtige zu tun. Eine Auseinandersetzung mit ihnen ist also in der Regel sinnvoll und kann auch dazu führen, das sich Überzeugungen ändern.
Trolle hingegen trollen, um eine negative Reaktion hervorzurufen. Sie benutzen sexistische Äußerung um zu provozieren, zu verletzen, zum Schweigen zu bringen. Sie benutzen auch jeden anderen Scheiß. Jede Auseinandersetzung mit Trollen ist sinnlos, da bereits die Auseinandersetzung die Methode der Trolle bestätigt: Sie haben die Aufmerksamkeit ihres Publikums. Und sie werden sie freiwillig nicht mehr hergeben- egal was sie dafür sagen oder schreiben müssen.
Daher reifte schon in den Frühzeiten des Internets (im Usenet und in Mailingslists – lange bevor es das Web gab) die Erkenntnis:
Und weil Aufmerksamkeit ihr Futter ist, bedeutete das: Sie zu ignorieren, wo immer löschen nicht möglich war. Ohne Aufmerksamkeit sterben Trolle sehr zügig (oder ziehen weiter).
Daraus lassen sich zwei Folgerungen ableiten:
1.) Wenn wir im Netz auf sexistische Äußerungen treffen, sollten wir zunächst abwägen oder versuchen heraus zu finden, ob es sich um genuine Sexisten handelt oder nur um Trolle. Denn je nachdem, was es ist, können ganz unterschiedliche Reaktionen sinnvoll sein.
2.) BetreiberInnen von Internet -Foren, -Chats und -Diskussionsgruppe, aber auch VeranstalterInnen von politischen Veranstaltungen müssen sich überlegen, wen sie wollen: Die Vernünftigen oder die Trolle. Denn wer Trolle gewähren läßt, schließt alle aus, die sich den Müll nicht mehr geben wollen. Im Gegensatz zu Trollen machen wir keinen Lärm, sondern wir bleiben einfach weg. Und kommen nicht wieder.
Und das auch gleich vorweg zu nehmen: Die Trolle rauszuwerfen oder ihre "Beitrage" zu löschen, mögen machen als Zensur sehen. Zuzulassen, das andere vertrieben werden, ist nichts anderes. Denn Zensur findet nicht nur durch löschen statt. Kritische Stimmen können genauso gut durch Überschreien, Beleidigungen, persönliche Angriffe oder Verunglimpfungen zum schweigen gebracht werden.
BetreiberIn, ModeratorIn oder VeranstalterIn zu sein bedeutet Macht & Verantwortung zu haben. Wir haben die Wahl, wen wir in unseren Comunities wollen: Trolle oder Nicht-Trolle.
P.S.: Ich benutze hier für Sexisten und Trolle durchgängig die männliche Form, weil die Hirne sowohl von Sexisten als auch von Trollen überwiegend in Hüllen männlicher Gestalt verpackt zu sein scheinen. Es wurden aber auch schon weibliche Exemplare gesichtet.
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